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Jäger mit Schrotflinte

Mythbuster#1 | Spannungen im Lauf

  • Autorenbild: Jan Hahn
    Jan Hahn
  • 17. Mai
  • 3 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 19. Aug.

Ich war mal wieder auf der Website eines Kollegen und dachte mir ...

ree

... eigentlich gehört das zitiert, aber dann findet ja jeder gleich raus, von wem ich hier berichte. Und da ich über niemanden herziehen will, sondern nur meine (teilweise gegenläufige) Meinung zum Thema kundtun will, umschreibe ich das Ganze mal...


Es geht in der Aussage um Argumente, die für Single Point Cut Rifled Barrels (kurz: SPCR) sprechen - also Läufe die mit Hilfe dieses Verfahrens hergestellt werden. Es wird dort behauptet:

  1. Läufe die mit SPCR hergestellt werden sind spannungsfrei.

  2. Bei knopfgezogenen Läufen kann es aufgrund von Spannungen im Material beim Schneiden des Mündungsgewindes zu Präzisionsproblemen kommen.


Theorie - ich mach's kurz und verständlich, versprochen!

Die ganze Diskussion dreht sich genau genommen um sogenannte Eigenspannungen im Material. Diese treten z.B. durch schnelle Abkühlvorgänge bei der Rohmaterialherstellung auf, können aber auch später durch Umformvorgänge und beim Zerspanen entstehen. In der Praxis wird man daher nie ein metallisches Bauteil finden, das vollständig spannungsfrei ist. Jetzt wird der ein oder andere sagen: Und was ist mit Spannungsarmglühen? Ja, exakt! Man achte darauf, dass hier nicht die Rede von Spannungsfreiglühen ist, sondern von Spannungsarmglühen. Grund ist, dass bei diesem Wärmebehandlungsprozess nur Eigenspannungen eliminiert werden, die größer als die Warmdehngrenze sind. Alle darunter sind auch nach dem Glühen noch vorhanden.


Was heißt das jetzt im Bezug auf Läufe?

Spannungsfreie Läufe gibt es nicht. Die Frage ist demnach nur, ob mein Lauf "zu viel" oder "ausreichend wenig" Eigenspannungen hat. Da man diese Frage nur schwer beantworten kann, wird oft argumentiert, was das bessere Verfahren sei...

  • SPCR: Bei diesem Verfahren werden spanhebend die Züge in den Lauf eingebracht. Jeder Metaller, der in seinem Leben einmal etwas mit Nitrierstahl zu tun hatte weiß, dass spanhebende Verfahren rein gar nichts mit Spannungsfreiheit zu tun haben. Zwar verwenden viele Laufhersteller aus den USA Werkstoffe wie den 416R, der nicht mit einem Nitrierstahl vergleichbar ist, trotzdem entstehen auch dort Spannungen bei der Bearbeitung mittels SPCR.

  • Hammer Forging (Schmieden/Hämmern): Beim Schmieden selbts entstehen erhebliche Spannungen im Material, die im Normalfall durch nachfolgende Wärmebehandlungen wie eben das angesprochene Spannungsarmglühen wieder in den Griff bekommen werden können. Während sich dieses Verfahren für Match-Läufe zumindest nicht durchgesetzt hat, gibt es trotzdem eine bekannte Österreichische Firm, die sehr präzise Waffen damit baut. Man muss eben wissen was man tut, dann geht viel.

  • Button Rifling (Knopfziehen): Ich erkläre meinen Kunden mit technischem Background immer, Knopfziehen ist wie Gewindeformen, bloß mit krasser Steigung und kleinen Flanken. Und das ist genau der Punkt. Man muss sich das rein zahlenmäßig überlegen. Bei einer 6,5 Creedmoor reden wir von einem Feld-Zug Unterschied von 0,21 mm (laut CIP). Milchmädchenrechnung: Wir reden hier von einem Umformvorgang bei dem das Material um ca. 0,05 mm versetzt wird. Wenn man sich dazu in Relation die Menge an Material vorstellt, die den dabei auftretenden Eigenspannungen entgegenwirkt und diese in Schach hält. Von was reden wir dann noch? Zudem besteht auch hier die Möglichkeit, nachfolgend Spannungsarm zu glühen.


Und was ist jetzt mit der Mündung?

Sofern ein Lauf sehr viele Eigenspannungen im Material hat, kommt es tatsächlich vor, dass sich beim Gewindeschneiden der Feld- und Zug-Ø verändern. Im dümmsten Fall wirkt sich das negativ auf die Präzision auf - im besten Fall geschieht die Veränderung "CIP-konform" 😂 und führt zu einer Art Choke, der die Präzision sogar noch steigert (theoretisch möglich aber unwahrscheinlich). Letztlich auch hier: Wer vernünftige Rohlinge von namhaften Herstellern bezieht, kennt solche Problem meist nicht. Wir hatten noch nicht ein einziges Mal so einen Fall und verwenden bisher fast ausschließlich knopfgezogene Läufe... so viel zum Thema.

Fazit

Spannungsfreie Läufe gibt es nicht. Das wird wohl ein Märchen bleiben, das immer wieder für den ein oder anderen Büchsenmacher (und Semi-Profi) herhalten muss. Trotzdem ist das Thema Eigenspannungen im Material bei Läufen essentiell für deren Präzision, weshalb namhafte Lauf Hersteller sich mit diesem Thema stark auseinandersetzen. Wie bei so vielem: Eine einfache Antwort mit Ja oder Nein gibt es hier nicht. Daher der Praxistipp: Wer einen präzisen Lauf haben will, sollte auf namhafte Hersteller zurück greifen.


Zurückrudern! - ich will ja keinen Ärger 😎

Dass die Läufe des Kollegen, welche mittels SPCR hergestellt wurden, in der obersten Liga spielen, steht außer Frage - zumindest sind die dort genannten Hersteller weltweit für ihre sehr guten Läufe bekannt und die Schussbilder, die ich von seinen Waffen bereits gesehen habe, lassen keine Wünsche offen. Chapeau! Andere Verfahren als so viel schlechter darzustellen finde ich aber nicht seriös.



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